Kabine eines Portalstaplers für den Containerumschlag


Würdigung
von Rido Busse

Design – was ist das überhaupt?

Ist Design, wie der Untertitel des Buches von Dr. Wichmann, Chef der Neuen Sammlung, aussagt “Kunst, die sich nützlich macht”? Oder ist gutes Design möglichst wenig Design”, wie die Firma Braun in Kronberg – Vorzeigeunternehmen in Sachen edel gestalteter Produkte – ihren Designer Rams sagen lässt, oder ist “Design tatsächlich nur die Nahtstelle zwischen Benutzer und Gerät” wie Luigi Collani einmal behauptet hatte? Oder was ist damit wohl gemeint, wenn auch heute noch von Unternehmern der Spruch zitiert wird, dass “Design die kulturelle Verantwortung der Industrie ist”? Oder aber ist Design wirklich “nur ein Versuch, unsere Umwelt ein bisschen bewohnbarer zu machen”, wie ein Slogan der frühen 70er Jahre lautete?.

Sie sehen, dass es sehr unterschiedliche Definitionen (und die Zitate lassen sich endlos reihen) Bekannter und Unbekannter gibt, die alle nicht so ganz den Punkt treffen, um den es uns hier beim Bayerischen Staatspreis geht, nämlich Wahrnehmbarmachung einer Idee, die einmal ein Produkt werden soll. Was hier gezeigt wird und juriert wurde, sind Diplomarbeiten von Hochschulabsolventen, die ihre Idee vom neuen Produkt uns, den Betrachtern, den Juroren und vielleicht auch einmal den potentiellen Produzenten in Wort, Bild und Modell veranschaulichen.

Nun ist aber Design nicht nur die Übermittlung der Idee für ein neues Produkt, sondern bei der Darstellung muss auch berücksichtigt werden, wie das Gerät funktioniert, wie es sich fertigen, wie es sich handhaben lässt und schließlich und endlich, welche Anmutung von ihm ausgehen soll. Und eben diese Anmutung, dieses ästhetische Signal ist es ja, mit der die Zielgruppe angesprochen wird. Das heißt, die Produktästhetik ist das Medium, mit dem der/die kundige Designer/Designerin mit dem Kaufwilligen, dem Benutzungsbereiten kommuniziert. Sie oder er kann produktbezogene Emotionen vermitteln, wie Präzision, Eleganz, Sportlichkeit, Seriosität, Professionalität und kann damit Verwandtschaften erzeugen, Zugehörigkeiten zu Programmen, Serien und Lebensstilen. Und das sowohl für komplexe Systeme als auch nur deren Details.

Mit dem Begriff “Detail” sind wir bereits bei einem unserem Preisträger, nämlich Herrn Ludwig Corr aus Essen. Seine Diplomarbeit mit dem Titel “Entwurf der Kabine eines Portalstaplers für den Containerumschlag”, Referent Prof. Fleischmann, Krefeld, Co-Referent Prof. Lengyel, Essen, wurde von der Jury sozusagen kampflos akzeptiert. Herr Corr entschuldigt sich im Vorwort zu seiner schriftlichen Ausarbeitung gewissermaßen dafür, dass er “nur” dieses Detail Fahrerkabine und nicht den ganzen Portalstapler gestaltet hat. Das macht ihn symphatisch, denn offenbar ahnte er, was selbst in diesem Bereich an geballten Problemen auf ihn zukommen sollte. Und ich bin sicher, im nachhinein wird er festgestellt haben, dass auch ein Detailbereich aus diesem Detail für eine Diplomarbeit schon ausreichend gewesen wäre.

Was ein Portalstapler ist, darf ich kurz erläutern: Stellen Sie sich einen zwölf Meter hohen Tisch mit Rädern an den Beinen vor. Der Fahrer eines solchen Gerätes fährt über den Container (Container sind große Metallkisten, in denen Güter transportiert werden – manchmal werden sie auch als Baubuden oder Notunterkünfte benutzt), hebt ihn hoch, transportiert ihn zu einem neuen Lagerplatz oder stapelt ihn auf einen oder zwei andere Container. Bei allen Staplern dieser Art ist die Fahrerkabine immer außen an einem der vier Beine befestigt. Der Auslöser für die Arbeit des Preisträgers war eine von ihm durchgeführte Untersuchung. Sie ergab, dass eine Erhöhung des gesamten Gerätes um 2 m keine Rolle spielt, da es in den Einsatzgebieten keinerlei Brücken oder Gebäude zu unterfahren gilt. Damit war es denkbar, die Fahrerkabine in den Innenbereich der 4 Beine zu bringen, dem sichersten und übersichtlichsten Platz. Ausgehend von dieser Lage konnte die Fahrerkabine optimal gestaltet werden.

Ich darf Herrn Corrs Schlusswort der Diplomarbeit zitieren:
“Der vorliegende Entwurf geht in vielen Punkten über das heutige und gewohnte Erscheinungsbild von derartigen und ähnlichen Kabinen hinaus. Dennoch möchte ich betonen, dass zwar die Kombination der Einzellösungen neu sein kann, die Konstruktion von Verglasung bis zur Instrumentierung jedoch in jedem Punkt “Stand der Technik” sind. Der Versuch, zu vereinfachen, bringt an vielen Stellen durch den Einsatz neuer Technik auch finanzielle Vorteile für Hersteller (Fertigung) und Betreiber (Wartung). Hier denke ich vor allem an die Verglasung (Wegfall der Gummidichtungen, größere Toleranzen, keine Lackierung, leichtere und damit preiswertere Reinigung). Immer an den Maßgaben der BPA (British Ports Association), bzw. deren ergonomischen Forderungen und Untersuchungen orientiert, müsste die Kabine überall dort, wo nicht Beschränkungen der Bauhöhe vorliegen, eine Verbesserung der derzeitigen Situation darstellen.” Hinzufügen möchte ich, dass es sich um eine akribisch ausgeführte Arbeit handelt und auch die Darstellung, was Modellbau und Präsentation der schriftlichen Unterlagen angeht, perfekt ist.

Ludwig Corr

Universität – Gesamthochschule Essen

Betreuer:
Prof. Fleischmann

Postschalterautomat


Würdigung

von Rido Busse

Einen weiteren Bayerischen Staatspreis erhält Frau Ute Mergner von der Fachhochschule München. Dozent ist Prof. Hofmeister, Co-Referent Herr Rau. Titel der Arbeit: Postschalterautomat. Designkonzept. Was hier ausgezeichnet wurde – und hier hat die Jury mit sich gerungen – ist im Gegensatz zur zuerst vorgestellten Arbeit ein Konzept für ein System.

Es wird eine Idee vorgestellt, die dem Postkunden das Leben erleichtern soll, vor allen Dingen im Hinblick auf weitere Arbeitszeitverkürzung und den damit zu erwartenden kürzeren Öffnungszeiten unserer Postschalter. Es handelt sich um einen Automaten, in Modulbauweise erstellt, der einmal in die Front eines Gebäudes integriert, zum anderen aber auch frei stehend dem Benutzer angeboten werden kann. Der Sinn des Ganzen, wie bei allen Automaten: Dienstleistung rund um die Uhr. Frau Mergner sagt dazu: “Ein schon längst fälliger Fortschritt im Service der Post”.

Die technische Funktion: Einschreiben. Eilsendungen, Wertsendungen, quaderförmige Päckchen und quaderförmige Pakete, letzteres bis zur Größe 50 x (20) x 30 cm mit dem Maximalgewicht von 10 kg können über den Postschalterautomaten mittels einer Gebührenkarte frankiert und auf den Postweg gebracht werden. Frau Mergner geht davon aus, dass hochtechnische Geräte im öffentlichen Straßenraum, an Hauptverkehrspunkten bei allen Witterungsverhältnissen im Betrieb sind und von der Öffentlichkeit bereits akzeptiert werden. Die Anmutung soll Sicherheit und Vertrauen vermitteln und eine eindeutige Benutzerführung garantieren. Robuste Materialien sollen eine leichte Reinigung gewährleisten und eine Ästhetik von stabiler, eleganter Panzerung vermitteln. Frau Mergner wünscht sich, dass das Design des Postschalterautomaten Bestandteil des Marketing-Konzepts für die Geräte der Post von morgen sein soll.

Und so soll das Ganze benutzt werden: Ich zitiere Frau Mergner: “Die Gebührenkarte wird wie eine EC-Karte oder Telefon-Karte eingeführt. Eine Gebührenkarte kann am Schalter oder bei jedem Kiosk gekauft werden. Das Versandstück wird auf das Annahmeband gelegt, über ein Display werden die Versandwünsche eingegeben. Die CCD-Kamera mit digitalem Bildverarbeitungssystem liest Versandart, Versandort und Anschrift, auch Schreibschrift ist möglich. Ein Drucker frankiert über eine Linearstrecke das Versandstück. Das Versandstück wird über das Transportband grobsortiert und zur Sortierung weitergeleitet. Beleg wird ausgegeben und die Gebührenkarte kann wieder entnommen werden.” Der professionelle Modellbau ist lobend hervorzuheben. Die Preisträger zeigen mit ihren Arbeiten zwei sehr unterschiedliche Wege, eine Diplomarbeit anzugehen und dennoch gleichermaßen erfolgreich zu sein. Ich darf sie im Namen der Jury ganz herzlich beglückwünschen.

Ute Mergner

Fachhochschule München

Betreuer:
Prof. Hofmeister