Paravent


Die beiden S-förmigen Elemente des Paravents können auf Grund ihrer Lamellenstruktur ineinander geschoben werden und ergeben so optische und räumliche Strukturen. Je nach dem Grad der Überschneidung wird die Transparenz des Paravents vergrößert oder bis zur vollkommenen Undurchsichtigkeit reduziert.

Würdigung
von Peter Nickl – Handwerkskammer für München und Oberbayern

Wenn von den drei bayerischen Staatspreisen für Nachwuchsdesigner eine Preis an das gestaltende Handwerk vergeben wird, so bedeutet diese Vergabe eine Anerkennung der Handwerksform, die ihr angesichts einer gewissen Design-Euphorie für längere Zeit vorenthalten wurde. Design und Handwerksform gehen von gestalterisch unterschiedlichen Grundvoraussetzungen aus und haben in unserer Zeit jede für sich eine gleichberechtigte Bedeutung.

Bevor dieser Preis an Ulrich Gahner – einem Auszubildenden des Schreinerhandwerks – vergeben wird, kurz ein paar Worte zu den Auswahlkriterien. Handwerksform kann aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Da ist einmal die individuelle Handwerksform. Sie ist Ausdruck einer gestalterischen Handschrift, unverwechselbar nicht auf Wiederholung ausgerichtet, Handwerksform als Unikat, als Einzelstück. Bestes Beispiel eine künstlerische Tapisserie, ein Schmuckstück, ein bibliophiler Bucheinband.

Daneben gibt es aber auch die Handwerksform, die aus einer berufsspezifischen Aufgabenstellung resultiert, die auf Wiederholung, auf Serie ausgerichtet ist: der Stuhl, den der Schreiner fertigt, das Geschirr, das der Töpfer formt oder das Besteck und Gerät. das vom Silberschmied hergestellt wird. Von der industriellen Serie unterscheidet sich die handwerkliche Serie durch die individuelle Bearbeitung, durch die Spuren, die eine handwerkliche Arbeit hinterlässt, vor allem aber durch die individuelle Art, wie speziell konstruktive oder technische Details vom Handwerker gelöst werden. Auf diesen Bereich des gestaltenden Handwerks hat die Jury bei der Vergabe des Preises abgestellt.

Ulrich Gahner erhält den Bayerischen Staatspreis für einen von ihm entworfenen und gefertigten Paravent. Paravents sind Gegenstände, die heute ihrer ursprünglichen Funktion beraubt sind. Man hat Paravents in früheren Zeiten aufgestellt, um sich – wie die Übersetzung sagt – vor Wind oder auch vor neugierigen Blicken zu schützen. Dieser Funktion muss der Paravent heute nur noch in den seltensten Fällen dienen. Er ist Raumteiler, raumgestaltendes Objekt geworden.

Der Anfertigung des Paravent lag kein Spezialauftrag zugrunde. Er wurde im Rahmen einer selbstgestellten Aufgabe realisiert. Junge Schreiner haben  sich im Düsseldorfer Raum zu einem gestalterischen Arbeitskreis zusammengeschlossen. Das Vorhaben fand dankenswerter Weise die großzügige Unterstützung des Lehrmeisters.

Die Juroren waren von der Einfachheit beeindruckt, mit der die gestalterische Aufgabe gelöst wurde. Der Raumteiler besteht aus zwei gleichartigen geschwungenen Teilen, deren S-förmige Lamellen formverleimt sind. Es ist die handwerkliche Technik (Formverleimung), aus der die geschwungene Form wächst. Stabilität und Statik des Paravents sind durch den Umstand gegeben, daß die Lamellen wechselseitig ineinandergeschoben werden können. Diese Art des gegenseitigen Haltens ist die einfachste Art des Fügens, ähnlich, wie wenn man die Finger ineinander faltet.

Beide Gestaltungselemente – die Technik der Formverleimung und das Fügen führen zu einem variationsreichen Formenspiel, das sinnreich, je nach örtlicher Gegebenheit eingesetzt werden kann. Die beiden Formelemente des Paravents können deckungsgleich gestellt werden, dann ist der Paravents geschlossen, beansprucht am wenigsten Raum. Sie können aber auch auseinandergezogen, entfaltet werden, dann ergibt sich ein großzügiges Raumobjekt, dessen Transparenz und Durchlässigkeit Raum schafft. Die eine Kurve der S-Form birgt und umschließt einen Raum, die andere aber führt nach außen und grenzt ab. Es sind bei diesem Paravent nicht nur Konstruktion und materialgerechte Verarbeitung, es ist auch die Auseinandersetzung mit der Räumlichkeit, die die Juroren in besonderer Weise überzeugte.

Ulrich Grahner

Die Arbeit wurde vom Bayerischen Handwerkstag vorgeschlagen